Hab ich dies Angesicht versteckt?

Soll ich mich etwa selber nennen?

DIE HEXE:

O Herr, verzeiht den rohen Gruß!

Seh ich doch keinen Pferdefuß.

Wo sind denn Eure beiden Raben?

MEPHISTOPHELES:

Für diesmal kommst du so davon;

Denn freilich ist es eine Weile schon,

Daß wir uns nicht gesehen haben.

Auch die Kultur, die alle Welt beleckt,

Hat auf den Teufel sich erstreckt;

Das nordische Phantom ist nun nicht mehr zu schauen;

Wo siehst du Hörner, Schweif und Klauen?

Und was den Fuß betrifft, den ich nicht missen kann,

Der würde mir bei Leuten schaden;

Darum bedien ich mich, wie mancher junge Mann,

Seit vielen Jahren falscher Waden.

DIE HEXE (tanzend):

Sinn und Verstand verlier ich schier,

Seh ich den Junker Satan wieder hier!

MEPHISTOPHELES:

Den Namen, Weib, verbitt ich mir!

DIE HEXE:

Warum? Was hat er Euch getan?

MEPHISTOPHELES:

Er ist schon lang ins Fabelbuch geschrieben;

Allein die Menschen sind nichts besser dran,

Den Bösen sind sie los, die Bösen sind geblieben.

Du nennst mich Herr Baron, so ist die Sache gut;

Ich bin ein Kavalier, wie andre Kavaliere.

Du zweifelst nicht an meinem edlen Blut;

Sieh her, das ist das Wappen, das ich führe!

(Er macht eine unanständige Gebärde.)

DIE HEXE (lacht unmäßig):

Ha! Ha! Das ist in Eurer Art!

Ihr seid ein Schelm, wie Ihr nur immer wart!

MEPHISTOPHELES (zu Faust):

Mein Freund, das lerne wohl verstehn!

Dies ist die Art, mit Hexen umzugehn.

DIE HEXE:

Nun sagt, ihr Herren, was ihr schafft.

MEPHISTOPHELES:

Ein gutes Glas von dem bekannten Saft!

Doch muß ich Euch ums ältste bitten;

Die Jahre doppeln seine Kraft.

DIE HEXE:

Gar gern! Hier hab ich eine Flasche,

Aus der ich selbst zuweilen nasche,

Die auch nicht mehr im mindsten stinkt;

Ich will euch gern ein Gläschen geben.

(Leise.)

Doch wenn es dieser Mann unvorbereitet trinkt

So kann er, wißt Ihr wohl, nicht eine Stunde leben.

MEPHISTOPHELES:

Es ist ein guter Freund, dem es gedeihen soll;

Ich gönn ihm gern das Beste deiner Küche.

Zieh deinen Kreis, sprich deine Sprüche,

Und gib ihm eine Tasse voll!

(Die Hexe, mit seltsamen Gebärden, zieht einen Kreis und stellt wunderbare Sachen hinein; indessen fangen die Gläser an zu klingen, die Kessel zu tönen, und machen Musik. Zuletzt bringt sie ein großes Buch, stellt die Meerkatzen in den Kreis, die ihr zum Pult dienen und die Fackel halten müssen. Sie winkt Fausten, zu ihr zu treten.)

FAUST (zu Mephistopheles):

Nein, sage mir, was soll das werden?

Das tolle Zeug, die rasenden Gebärden,

Der abgeschmackteste Betrug,

Sind mir bekannt, verhaßt genug.

MEPHISTOPHELES:

Ei Possen! Das ist nur zum Lachen;

Sei nur nicht ein so strenger Mann!

Sie muß als Arzt ein Hokuspokus machen,

Damit der Saft dir wohl gedeihen kann.

(Er nötigt Fausten, in den Kreis zu treten.)

DIE HEXE (mit großer Emphase fängt an, aus dem Buche zu deklamieren):

Du mußt verstehn!

Aus Eins mach Zehn,

Und Zwei laß gehn,

Und Drei mach gleich,

So bist du reich.

Verlier die Vier!

Aus Fünf und Sechs,

So sagt die Hex,

Mach Sieben und Acht,

So ist's vollbracht:

Und Neun ist Eins,

Und Zehn ist keins.

Das ist das Hexen-Einmaleins!

FAUST:

Mich dünkt, die Alte spricht im Fieber.

MEPHISTOPHELES:

Das ist noch lange nicht vorüber,

Ich kenn es wohl, so klingt das ganze Buch;

Ich habe manche Zeit damit verloren,

Denn ein vollkommner Widerspruch

Bleibt gleich geheimnisvoll für Kluge wie für Toren.

Mein Freund, die Kunst ist alt und neu.

Es war die Art zu allen Zeiten,

Durch Drei und Eins, und Eins und Drei

Irrtum statt Wahrheit zu verbreiten.

So schwätzt und lehrt man ungestört;

Wer will sich mit den Narrn befassen?

Gewöhnlich glaubt der Mensch, wenn er nur Worte hört,

Es müsse sich dabei doch auch was denken lassen.

DIE HEXE (fährt fort):

Die hohe Kraft

Der Wissenschaft,

Der ganzen Welt verborgen!

Und wer nicht denkt,

Dem wird sie geschenkt,

Er hat sie ohne Sorgen.

FAUST:

Was sagt sie uns für Unsinn vor?

Es wird mir gleich der Kopf zerbrechen.

Mich dünkt, ich hör ein ganzes Chor

Von hunderttausend Narren sprechen.

MEPHISTOPHELES:

Genug, genug, o treffliche Sibylle!

Gib deinen Trank herbei, und fülle

Die Schale rasch bis an den Rand hinan;

Denn meinem Freund wird dieser Trunk nicht schaden:

Er ist ein Mann von vielen Graden,

Der manchen guten Schluck getan.

(Die Hexe, mit vielen Zeremonien, schenkt den Trank in eine Schale, wie sie Faust an den Mund bringt, entsteht eine leichte Flamme.)

Nur frisch hinunter! Immer zu!

Es wird dir gleich das Herz erfreuen.

Bist mit dem Teufel du und du,

Und willst dich vor der Flamme scheuen?

(Die Hexe löst den Kreis. Faust tritt heraus.)

Nun frisch hinaus! Du darfst nicht ruhn.

DIE HEXE:

Mög Euch das Schlückchen wohl behagen!

MEPHISTOPHELES (zur Hexe):

Und kann ich dir was zu Gefallen tun,

So darfst du mir's nur auf Walpurgis sagen.

DIE HEXE:

Hier ist ein Lied! wenn Ihr's zuweilen singt,

So werdet Ihr besondre Wirkung spüren.

MEPHISTOPHELES (zu Faust):

Komm nur geschwind und laß dich führen;

Du mußt notwendig transpirieren,

Damit die Kraft durch Inn — und Äußres dringt.

Den edlen Müßiggang lehr ich hernach dich schätzen,

Und bald empfindest du mit innigem Ergetzen,

Wie sich Cupido regt und hin und wider springt.

FAUST:

Laß mich nur schnell noch in den Spiegel schauen!

Das Frauenbild war gar zu schön!

MEPHISTOPHELES:

Nein! Nein! Du sollst das Muster aller Frauen

Nun bald leibhaftig vor dir sehn.

(Leise.)

Du siehst, mit diesem Trank im Leibe,

Bald Helenen in jedem Weibe.