Narr

Heut abend wieg' ich mich im Grundbesitz! —

Mephistopheles

Wer zweifelt noch an unsres Narren Witz!

FINSTERE GALERIE

Mephistopheles

Was ziehst du mich in diese düstern Gänge?

Ist nicht da drinnen Lust genug,

Im dichten, bunten Hofgedränge

Gelegenheit zu Spaß und Trug?

Faust

Sag mir das nicht, du hast's in alten Tagen

Längst an den Sohlen abgetragen;

Doch jetzt dein Hin — und Widergehn

Ist nur, um mir nicht Wort zu stehn.

Ich aber bin gequält zu tun:

Der Marschalk und der Kämmrer treibt mich nun.

Der Kaiser will, es muß sogleich geschehn,

Will Helena und Paris vor sich sehn;

Das Musterbild der Männer so der Frauen

In deutlichen Gestalten will er schauen.

Geschwind ans Werk! ich darf mein Wort nicht brechen.

Mephistopheles

Unsinnig war's, leichtsinnig zu versprechen.

Faust

Du hast, Geselle, nicht bedacht,

Wohin uns deine Künste führen;

Erst haben wir ihn reich gemacht,

Nun sollen wir ihn amüsieren.

Mephistopheles

Du wähnst, es füge sich sogleich;

Hier stehen wir vor steilern Stufen,

Greifst in ein fremdestes Bereich,

Machst frevelhaft am Ende neue Schulden,

Denkst Helenen so leicht hervorzurufen

Wie das Papiergespenst der Gulden. —

Mit Hexen-Fexen, mit Gespenst-Gespinsten,

Kielkröpfigen Zwergen steh' ich gleich zu Diensten;

Doch Teufels-Liebchen, wenn auch nicht zu schelten,

Sie können nicht für Heroinen gelten.

Faust

Da haben wir den alten Leierton!

Bei dir gerät man stets ins Ungewisse.

Der Vater bist du aller Hindernisse,

Für jedes Mittel willst du neuen Lohn.

Mit wenig Murmeln, weiß ich, ist's getan;

Wie man sich umschaut, bringst du sie zur Stelle.

Mephistopheles

Das Heidenvolk geht mich nichts an,

Es haust in seiner eignen Hölle;

Doch gibt's ein Mittel.

Faust

Sprich, und ohne Säumnis!

Mephistopheles

Ungern entdeck' ich höheres Geheimnis.

Göttinnen thronen hehr in Einsamkeit,

Um sie kein Ort, noch weniger eine Zeit;

Von ihnen sprechen ist Verlegenheit.

Die Mütter sind es!

Faust

Mütter!

Mephistopheles

Schaudert's dich?

Faust

Die Mütter! Mütter! — 's klingt so wunderlich!

Mephistopheles

Das ist es auch. Göttinnen, ungekannt

Euch Sterblichen, von uns nicht gern genannt.

Nach ihrer Wohnung magst ins Tiefste schürfen;

Du selbst bist schuld, daß ihrer wir bedürfen.

Faust

Wohin der Weg?

Mephistopheles

Kein Weg! Ins Unbetretene,

Nicht zu Betretende; ein Weg ans Unerbetene,

Nicht zu Erbittende. Bist du bereit? —

Nicht Schlösser sind, nicht Riegel wegzuschieben,

Von Einsamkeiten wirst umhergetrieben.

Hast du Begriff von öd' und Einsamkeit?

Faust

Du spartest, dächt' ich, solche Sprüche;

Hier wittert's nach der Hexenküche,

Nach einer längst vergangnen Zeit.

Mußt' ich nicht mit der Welt verkehren?

Das Leere lernen, Leeres lehren? —

Sprach ich vernünftig, wie ich's angeschaut,

Erklang der Widerspruch gedoppelt laut;

Mußt' ich sogar vor widerwärtigen Streichen

Zur Einsamkeit, zur Wildernis entweichen

Und, um nicht ganz versäumt, allein zu leben,

Mich doch zuletzt dem Teufel übergeben.

Mephistopheles

Und hättest du den Ozean durchschwommen,

Das Grenzenlose dort geschaut,

So sähst du dort doch Well' auf Welle kommen,

Selbst wenn es dir vorm Untergange graut.

Du sähst doch etwas. Sähst wohl in der Grüne

Gestillter Meere streichende Delphine;

Sähst Wolken ziehen, Sonne, Mond und Sterne —

Nichts wirst du sehn in ewig leerer Ferne,

Den Schritt nicht hören, den du tust,

Nichts Festes finden, wo du ruhst.

Faust

Du sprichst als erster aller Mystagogen,

Die treue Neophyten je betrogen;

Nur umgekehrt. Du sendest mich ins Leere,

Damit ich dort so Kunst als Kraft vermehre;

Behandelst mich, daß ich, wie jene Katze,

Dir die Kastanien aus den Gluten kratze.

Nur immer zu! wir wollen es ergründen,

In deinem Nichts hoff' ich das All zu finden.

Mephistopheles

Ich rühme dich, eh' du dich von mir trennst,

Und sehe wohl, daß du den Teufel kennst;

Hier diesen Schlüssel nimm.

Faust

Das kleine Ding!

Mephistopheles

Erst faß ihn an und schätz ihn nicht gering.

Faust

Er wächst in meiner Hand! er leuchtet, blitzt!

Mephistopheles

Merkst du nun bald, was man an ihm besitzt?

Der Schlüssel wird die rechte Stelle wittern,

Folg ihm hinab, er führt dich zu den Müttern.

Faust

Den Müttern! Trifft's mich immer wie ein Schlag!

Was ist das Wort, das ich nicht hören mag?

Mephistopheles

Bist du beschränkt, daß neues Wort dich stört?

Willst du nur hören, was du schon gehört?

Dich störe nichts, wie es auch weiter klinge,

Schon längst gewohnt der wunderbarsten Dinge.

Faust

Doch im Erstarren such' ich nicht mein Heil,

Das Schaudern ist der Menschheit bestes Teil;

Wie auch die Welt ihm das Gefühl verteure,

Ergriffen, fühlt er tief das Ungeheure.

Mephistopheles

Versinke denn! Ich könnt' auch sagen: steige!

's ist einerlei. Entfliehe dem Entstandnen

In der Gebilde losgebundne Reiche!

Ergetze dich am längst nicht mehr Vorhandnen;

Wie Wolkenzüge schlingt sich das Getreibe,

Den Schlüssel schwinge, halte sie vom Leibe!

Faust

Wohl! fest ihn fassend fühl' ich neue Stärke,

Die Brust erweitert, hin zum großen Werke.

Mephistopheles

Ein glühnder Dreifuß tut dir endlich kund,

Du seist im tiefsten, allertiefsten Grund.

Bei seinem Schein wirst du die Mütter sehn,

Die einen sitzen, andre stehn und gehn,

Wie's eben kommt. Gestaltung, Umgestaltung,

Des ewigen Sinnes ewige Unterhaltung.

Umschwebt von Bildern aller Kreatur;

Sie sehn dich nicht, denn Schemen sehn sie nur.

Da faß ein Herz, denn die Gefahr ist groß,

Und gehe grad' auf jenen Dreifuß los,

Berühr ihn mit dem Schlüssel!

Mephistopheles

So ist's recht!

Er schließt sich an, er folgt als treuer Knecht;

Gelassen steigst du, dich erhebt das Glück,

Und eh' sie's merken, bist mit ihm zurück.

Und hast du ihn einmal hierher gebracht,

So rufst du Held und Heldin aus der Nacht,

Der erste, der sich jener Tat erdreistet;