MARTHE (kommend):

Die Nacht bricht an.

MEPHISTOPHELES:

Ja, und wir wollen fort.

MARTHE:

Ich bät Euch, länger hier zu bleiben,

Allein es ist ein gar zu böser Ort.

Es ist, als hätte niemand nichts zu treiben

Und nichts zu schaffen,

Als auf des Nachbarn Schritt und Tritt zu gaffen,

Und man kommt ins Gered, wie man sich immer stellt.

Und unser Pärchen?

MEPHISTOPHELES:

Ist den Gang dort aufgeflogen. Mutwill'ge Sommervögel!

MARTHE:

Er scheint ihr gewogen.

MEPHISTOPHELES:

Und sie ihm auch. Das ist der Lauf der Welt.

EIN GARTENHÄUSCHEN

Margarete springt herein, steckt sich hinter die Tür, hält die Fingerspitze an die Lippen und guckt durch die Ritze.

MARGARETE:

Er kommt!

FAUST (kommt):

Ach, Schelm, so neckst du mich! Treff ich dich!

(Er küßt sie.)

MARGARETE (ihn fassend und den Kuß zurückgebend):

Bester Mann! von Herzen lieb ich dich!

(Mephistopheles klopft an.)

FAUST (stampfend):

Wer da?

MEPHISTOPHELES:

Gut Freund!

FAUST:

Ein Tier!

MEPHISTOPHELES:

Es ist wohl Zeit zu scheiden.

MARTHE (kommt):

Ja, es ist spät, mein Herr.

FAUST:

Darf ich Euch nicht geleiten?

MARGARETE:

Die Mutter würde mich — Lebt wohl!

FAUST:

Muß ich denn gehn? Lebt wohl!

MARTHE:

Ade!

MARGARETE:

Auf baldig Wiedersehn!

(Faust und Mephistopheles ab.)

MARGARETE:

Du lieber Gott! was so ein Mann

Nicht alles, alles denken kann!

Beschämt nur steh ich vor ihm da

Und sag zu allen Sachen ja.

Bin doch ein arm unwissend Kind,

Begreife nicht, was er an mir findt.

(Ab.)

WALD UND HÖHLE

FAUST (allein):

Erhabner Geist, du gabst mir, gabst mir alles,

Warum ich bat. Du hast mir nicht umsonst

Dein Angesicht im Feuer zugewendet.

Gabst mir die herrliche Natur zum Königreich,

Kraft, sie zu fühlen, zu genießen. Nicht

Kalt staunenden Besuch erlaubst du nur,

Vergönnest mir, in ihre tiefe Brust

Wie in den Busen eines Freunds zu schauen.

Du führst die Reihe der Lebendigen

Vor mir vorbei und lehrst mich meine Brüder

Im stillen Busch, in Luft und Wasser kennen.

Und wenn der Sturm im Walde braust und knarrt,

Die Riesenfichte stürzend Nachbaräste

Und Nachbarstämme quetschend niederstreift

Und ihrem Fall dumpf hohl der Hügel donnert,

Dann führst du mich zur sichern Höhle, zeigst

Mich dann mir selbst, und meiner eignen Brust

Geheime tiefe Wunder öffnen sich.

Und steigt vor meinem Blick der reine Mond

Besänftigend herüber, schweben mir

Von Felsenwänden, aus dem feuchten Busch

Der Vorwelt silberne Gestalten auf

Und lindern der Betrachtung strenge Lust.

O daß dem Menschen nichts Vollkommnes wird,

Empfind ich nun. Du gabst zu dieser Wonne,

Die mich den Göttern nah und näher bringt,

Mir den Gefährten, den ich schon nicht mehr

Entbehren kann, wenn er gleich, kalt und frech,

Mich vor mir selbst erniedrigt und zu Nichts,

Mit einem Worthauch, deine Gaben wandelt.

Er facht in meiner Brust ein wildes Feuer

Nach jenem schönen Bild geschäftig an.

So tauml ich von Begierde zu Genuß,

Und im Genuß verschmacht ich nach Begierde.

Mephistopheles tritt auf.

MEPHISTOPHELES:

Habt Ihr nun bald das Leben gnug geführt?

Wie kann's Euch in die Länge freuen?

Es ist wohl gut, daß man's einmal probiert

Dann aber wieder zu was Neuen!

FAUST:

Ich wollt, du hättest mehr zu tun,

Als mich am guten Tag zu plagen.

MEPHISTOPHELES:

Nun, nun! ich laß dich gerne ruhn,

Du darfst mir's nicht im Ernste sagen.

An dir Gesellen, unhold, barsch und toll,

Ist wahrlich wenig zu verlieren.

Den ganzen Tag hat man die Hände voll!

Was ihm gefällt und was man lassen soll,

Kann man dem Herrn nie an der Nase spüren.

FAUST:

Das ist so just der rechte Ton!

Er will noch Dank, daß er mich ennuyiert.

MEPHISTOPHELES:

Wie hättst du, armer Erdensohn

Dein Leben ohne mich geführt?

Vom Kribskrabs der Imagination

Hab ich dich doch auf Zeiten lang kuriert;

Und wär ich nicht, so wärst du schon

Von diesem Erdball abspaziert.

Was hast du da in Höhlen, Felsenritzen

Dich wie ein Schuhu zu versitzen?

Was schlurfst aus dumpfem Moos und triefendem Gestein

Wie eine Kröte Nahrung ein?

Ein schöner, süßer Zeitvertreib!

Dir steckt der Doktor noch im Leib.

FAUST:

Verstehst du, was für neue Lebenskraft

Mir dieser Wandel in der Öde schafft?

Ja, würdest du es ahnen können,

Du wärest Teufel gnug, mein Glück mir nicht zu gönnen.

MEPHISTOPHELES:

Ein überirdisches Vergnügen.

In Nacht und Tau auf den Gebirgen liegen

Und Erd und Himmel wonniglich umfassen,

Zu einer Gottheit sich aufschwellen lassen,

Der Erde Mark mit Ahnungsdrang durchwühlen,

Alle sechs Tagewerk im Busen fühlen,

In stolzer Kraft ich weiß nicht was genießen,

Bald liebewonniglich in alles überfließen,

Verschwunden ganz der Erdensohn,

Und dann die hohe Intuition —

(mit einer Gebärde)

Ich darf nicht sagen, wie — zu schließen.

FAUST:

Pfui über dich!

MEPHISTOPHELES:

Das will Euch nicht behagen; Ihr habt das Recht, gesittet pfui zu sagen.

Man darf das nicht vor keuschen Ohren nennen,

Was keusche Herzen nicht entbehren können.

Und kurz und gut, ich gönn Ihm das Vergnügen,

Gelegentlich sich etwas vorzulügen;

Doch lange hält Er das nicht aus.

Du bist schon wieder abgetrieben

Und, währt es länger, aufgerieben

In Tollheit oder Angst und Graus.

Genug damit! Dein Liebchen sitzt dadrinne,

Und alles wird ihr eng und trüb.

Du kommst ihr gar nicht aus dem Sinne,

Sie hat dich übermächtig lieb.

Erst kam deine Liebeswut übergeflossen,

Wie vom geschmolznen Schnee ein Bächlein übersteigt;

Du hast sie ihr ins Herz gegossen,

Nun ist dein Bächlein wieder seicht.

Mich dünkt, anstatt in Wäldern zu thronen,

Ließ es dem großen Herren gut,